AW: Fakt ist!

Sehr geehrter Herr Affeldt,

vielen Dank für Ihre ausführliche E-Mail. Gestatten Sie mir, dass ich auf die einzelnen Punkte kurz eingehe.

Ich habe in der MDR-Sendung versucht, die Diskussion zu versachlichen. Klar ist, dass die deutsche Automobilindustrie selbst ein großes Interesse daran hat, die Luftqualität in den Städten zu verbessern. Allerdings sind wir davon überzeugt, dass es bessere und intelligentere Maßnahmen gibt als Fahrverbote (dies wurde im Übrigen in der Sendung von den anderen Teilnehmern am Ende der Diskussion ähnlich gesehen): Verflüssigung des Verkehrs, Grüne Welle, Digitalisierung des Parksuchverkehrs, Erneuerung von Bus- und Taxi-Flotten.

Zu Punkt 1: Der Dieselanteil bei Pkw der Segmente Klein- und Kompaktklasse ist traditionell geringer als in der Mittelklasse oder darüber. Zudem rechnet sich ein Diesel-Pkw erst bei einer höheren Jahreslaufleistung, da die Kfz-Steuer für Diesel-Pkw etwa doppelt so hoch ist, verglichen mit einem entsprechenden Benziner-Modell. Unter diesen Prämissen ist der Diesel die effizienteste Antriebsart.

Zu Punkt 2: Bei dem Zielwert 95 Gramm CO2/km handelt es sich um eine Vorgabe, die EU-weit bei den Pkw-Neuzulassungen im Jahr 2020/2021 erreicht werden muss. Die 95 Gramm sind also ein Durchschnittswert, je nach Flotte sind den Herstellern unterschiedliche Zielgrößen zugeordnet. Der NOx-Grenzwert von 80 mg/km bezieht sich hingegen auf jede einzelne Euro-6-Diesel-Neuzulassung, es ist also eine EU-Vorgabe, die je Fahrzeug gilt. Grundlage ist der NEFZ-Zyklus. Dieser wird ab September 2017 für neu typprüfte Modelle und ab September 2018 für alle Pkw-Neuzulassungen durch den neuen Prüfzyklus WLTP abgelöst, der wesentlich realitätsnäher als der veraltete NEFZ-Zyklus ist. Hinzu kommt, dass künftig EU-weit ein Straßentest (RDE, Real Driving Emissions) vorgeschrieben ist, der insbesondere den NOx-Emissionen auf der Straße sehr enge Grenzen setzt. Erste Modelle mit Motoren, die mit Blick auf RDE entwickelt wurden, sind bereits verfügbar. Tests haben ergeben, dass deren NOx-Emissionen auf der Straße sogar noch den NEFZ-Laborwert (80 mg) deutlich unterschreiten.

Ihre Vermutung, dass es „noch Jahre bis Jahrzehnte dauern wird“, bis der Diesel die Grenzwerte einhält, ist daher unbegründet, die EU hat hier klare Vorgaben gemacht, die einzuhalten sind. Falls nicht, können diese Fahrzeuge nicht zugelassen werden.

Zu Punkt 3: Die Sendung hat sich – und das war die Entscheidung des MDR – bewusst auf den Diesel konzentriert. Die deutsche Automobilindustrie verfolgt seit vielen Jahren ihre „Fächerstrategie“, die alle Optionen umfasst: Optimierung der klassischen Antriebe Benziner und Diesel, Entwicklung alternativer Antriebe (Elektroantrieb, Plug-in-Hybrid, Wasserstoff etc.), Entwicklung sogenannter „e-fuels“, die aus Windenergie gewonnen werden und per Definition CO2-neutral sind. In der „Plattform Urbane Mobilität“ beschäftigen wir uns – zusammen mit mehreren großen deutschen Städten – intensiv mit der Frage, wie künftig die Mobilität in Städten optimiert werden kann. Nur als Hinweis: Der Diesel hat seit über zehn Jahren serienmäßig einen Partikelfilter, insofern stellt sich die Feinstaubfrage nicht mehr.

Zu Punkt 4: Wie erläutert, kommt in Kürze europaweit der Straßentest RDE, der den NOx-Emissionen von Diesel-Pkw sehr enge Grenzen setzt und – die Messtoleranzen herausgerechnet – in etwa NOx-Werte vorgibt wie im Labor (NEFZ). Der Rollenprüfstand wird allerdings auch beim neuen Labortest WLTP erforderlich sein, um Vergleichbarkeit von Modellen und über Zeiträume hinweg sicherzustellen. Ihre Bewertung, Herr Affeldt, dass der Rollenprüfstand „komplett uninteressant“ sei, wird daher von Fachleuten – in Brüssel wie in Berlin – nicht geteilt. Wir brauchen beides: Den Labortest WLTP und den Straßentest RDE.

Zu Punkt 5: Die Ökobilanz ist eine andere Fragestellung als die, wie die Luftqualität in Städten verbessert werden kann. Bei Elektroautos kommt es z. B. darauf an, welche „Art“ Strom eingesetzt wird: Stammt die elektrische Energie von Kohlekraftwerken, dann ist die Ökobilanz eines E-Autos sogar schlechter als bei einem modernen Diesel. Der CO2-Vorteil des Diesel ist gegenüber dem Benziner klar und beträgt bis zu 15 Prozent.

Zu Punkt 6: Die Partikelfilter werden bereits seit über zehn Jahren flächendeckend bei Neufahrzeugen eingesetzt, die Technologie wurde immer weiter verbessert. Die Langzeitqualität moderner Diesel ist nachweisbar.

Zu Punkt 7: Das UBA hat Äpfel mit Birnen verglichen, da die Frage nicht segmentspezifisch gestellt wurde. Korrekt müsste man ein Modell aus der Kompaktklasse (jeweils Diesel/Benziner) miteinander vergleichen. Dann stimmt die o.g. Aussage, dass der Diesel bis zu 15 Prozent niedrigere CO2-Emissionen hat. Wenn man jedoch den gesamten CO2-Wert für die Diesel-Population nimmt – und mit der aller Benziner vergleicht, kommt man zu Aussagen, die Statistiker nicht ernst nehmen können. Einfach ausgedrückt: Ein Kleinwagen mit Ottomotor hat geringere CO2-Werte als ein großes Auto mit Diesel. Diese Aussage gilt dann allerdings auch umgekehrt – welche Schlussfolgerungen sollten daraus gezogen werden?

Zu Ihrem Schlusssatz: Die deutsche Automobilindustrie investiert allein für die Entwicklung von alternativer Antriebe (Elektro) bis zum Jahr 2020 rund 40 Mrd. Euro. Auch der klassische Antriebsstrang wird kontinuierlich verbessert. Wir rechnen damit, dass im Jahr 2025 etwa 15 bis 25 Prozent der Pkw-Neuzulassungen einen E-Antrieb haben werden. Wir zählen bereits heute weltweit zu den Leitanbietern in der Elektromobilität. Wir halten es für richtig, dass Deutschland zudem das Ziel hat, Leitmarkt zu werden. Die Einführung emissionsarmer und emissionsfreier Pkw nimmt immer mehr Fahrt auf: Bis zum Jahr 2020 werden wir die Zahl der E-Modelle von heute 30 auf rund 100 mehr als verdreifachen. Allerdings werden wir auch in den kommenden Jahren moderne Diesel und Benziner benötigen. Umso wichtiger ist es, dass der moderne Diesel mit RDE dazu beiträgt, die NOx-Emissionen deutlich zu senken.

Mit freundlichen Grüßen / With kind regards

Eckehart Rotter

Verband der Automobilindustrie e.V. (VDA)

German Association of the Automotive Industry
Leiter Abteilung Presse / Head of Press Department
Behrenstr. 35, 10117 Berlin
Germany
Tel. +49 30 897842-120
Fax +49 30 897842-603
Mail rotter

URL http://www.vda.de

Folgen Sie uns auf Twitter: Unter @VDA_online gibt es News und Infos zur deutschen Automobilindustrie.

Von: Julian Affeldt [mailto:julian.affeldt@outlook.com]
Gesendet: Dienstag, 27. Juni 2017 05:48
An: Rotter, Eckehart
Cc: IGEMBB-Blog
Betreff: Fakt ist!

Sehr geehrter Herr Rotter,

heute habe ich eine Aufzeichnung der Fakt ist!-Sendung gesehen. Ich muss sagen, ich war ziemlich schockiert. Ein wenig Demut gegenüber den Menschen, die unter den Abgaswolken der ach so sauberen Diesel-PKW leiden müssen, wäre angebracht gewesen. Stattdessen verstecken Sie sich mit fadenscheinigen Argumenten hinter den Testverfahren („Die Fahrzeugen müssen nur auf der Rolle sauber sein“). Wer so etwas sagt (und vlt auch wirklich der Meinung ist, dass das so in Ordnung ist), der handelt zynisch. Wahrscheinlich wohnen sie an einem Ort, an dem sie den Dreck der Fahrzeuge nicht täglich einatmen müssen. Haben keine Kinder, die auf dem Weg zur Schule oder zur Kita Feinstauch und Stickoxide einatmen müssen. Oder haben keine älteren Verwandten, die kaum noch das Fenster zum Lüften öffnen können.

Wesentlicher aber sind die Fakten und Tatsachen, die Sie verschwiegen haben:

  1. Wirklich „saubere“ Dieselmotoren sind und werden so teuer, dass sie, wenn überhaupt, nur noch in bestimmten PKW-Klassen zu vermarkten sein werden. Der Ausstieg von Volvo aus der Weiterentwicklung des Diesels spricht zudem Bände.
  2. Es noch Jahre bis Jahrzehnte dauern wird, bis der Diesel die mal formulierten Grenzwerte für CO2 und NOx wirklich auf der Straßen einhalten wird – Korrelationsfaktoren und ihre Lobbyarbeit machen es möglich (siehe ihr eigenen Veröffentlichungen zur Einführung des WLTP). So bleiben die 95 g CO2 und 80 mg NOx pro km auf lange Sicht nur auf dem Papier stehen, während andere Antriebssysteme das schon seit Jahren real möglich machen.
  3. Sie haben wundervoll verschwiegen, dass andere Antriebskonzepte, die es seit Jahren gibt, sowohl bei CO2 als auch beim NOx und den Feinstäuben um Längen besser sind, als der Diesel.
  4. Dass Sie die Einhaltung der Grenzwerte nur auf dem Rollenprüfstand verteidigen, ist zynisch. Da frage ich mich: Kann oder will die dt. Automobilindustrie die Grenzwerte im Realbetrieb nicht einhalten. Ob das gesetzlichen Regelungen entspricht oder nicht: Die Menschen wohnen nicht am Rollenprüfstand, sondern in Berlin, Potsdam, München oder Stuttgart – dort müssen die Autos die Grenzwerte einhalten, oder noch besser emissionsfrei fahren. Dort und nur dort. Der Rollenprüfstand ist komplett uninteressant. Und auch nicht nur im Sommer, sondern immer. Wenn das mit den modernen Dieselmotoren nicht möglich ist, dann sind das Entwicklungen für die Mülltonne.
  5. Der Runde schuldig geblieben sind Sie auch in Sachen Ökobilanz. Veröffentlichen Sie als VDA doch endlich mal eine ehrliche Ökobilanz z.B. von AdBlue. Welche Rohstoffe werden dafür benötigt, wie groß sind die Energiemengen, die zur Herstellung, Transport und Verteilung benötigt werden? Ist der Diesel dann immer noch ihr „Klimaretter“ ohne den es nicht geht? Da bin ich aber mal gespannt.
  6. Dann erzählen Sie und bitte auch gleich noch etwas über die beschleunigte Alterung der Katalysatoren in Diesel-PKW, u.a. hervorgerufen durch thermische Effekte beim Freibrennen des Partikelfilters.
  7. Ich denke auch, dass es an der Zeit wäre, das Märchen vom Klimaretter Diesel endlich zu beenden. Erneut wurden durch das UBA Zahlen vorgelegt, die zeigen, dass die Flotte der Diesel-PKW kein Gramm weniger emittiert, als die Flotte der Benziner. Ob der Diesel das könnte, spielt da keine Rolle und interessiert die Menschen nicht.

Wieso kann also der VDA nicht aus seiner Haut und macht sich zum Anwalt der Bevölkerung, statt die Einführung emissionsarmer und emissionsfreier PKW auf den St. Nimmerleinstag zu verschieben und immer nur mit den Arbeitsplätzen zu argumentieren?

Mit freundlichen Grüßen

J. Affeldt

Gesendet von Mail für Windows 10

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